Die Selbstenttarnung der NSU-Mordserie jährt sich dieses Jahr am 4. November bereits zum zehnten Mal. Doch die Strukturen, welche eine solche Mordserie ermöglicht haben, sind nach wie vor unzureichend beleuchtet. Auch Defizite innerhalb der Polizeistruktur sind weiterhin allgegenwärtig.
„Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat. Die Namen der neun Opfer der rassistisch motivierten NSU-Mordserie haben sich in unser Gedächtnis gebrannt und dürfen nicht vergessen werden“, macht Vorstandsmitglied Theresa Eberlein deutlich. Dass das sogenannte NSU-Trio so lange deutschlandweit ungestört morden konnte, lag auch an den Ermittlungen der Behörden, die sich lange auf das Umfeld und die Angehörigen der Opfer konzentrierte und diese stigmatisierte, anstatt die wahren Hintergründe zu ermitteln. „Die Justiz war auf dem rechten Auge blind.“
„Wir dürfen die Mordserie nicht länger als Einzelfälle betrachten und müssen beginnen, die Strukturen dahinter zu beleuchten“, ergänzt Vorstandsmitglied Johannes Rückerl. Das neue Heft ‚Die extreme Rechte in Ostbayern‘ der Mobilen Beratung gegen Rechts zeigt enge, landesweite Verknüpfungen innerhalb rechter Strukturen auf. Bei dem vermeintlichen Trio von einer isolierten Struktur auszugehen, greife nicht nur zu kurz, sondern sei brandgefährlich, da es die Tiefe des Problems verkenne.
Doch nicht nur die Strukturen, die das NSU-Trio unterstützt haben, gelte es stärker in den Blick zu nehmen, auch die polizeiliche Struktur, inklusive dem Verfassungsschutz müsse einer gründlichen Manöverkritik unterzogen werden. „Eine solche Mordserie darf sich nicht wiederholen. Angehörige erzählen, dass ihnen Clankriege und Co unterstellt wurden, obwohl es keine Anhaltspunkte hierfür gab. Hier wird das strukturelle Problem innerhalb der Polizei sichtbar“, stellt die Sprecherin der Grünen Julia Krebs klar. Nicht nur bei der Nachsorge haben die Polizei und die Justizbehörden versagt. Aktuelle Erkenntnisse gehen davon aus, dass sogenannte V‑Personen – vom Verfassungsschutz eingesetzte Personen zur Überwachung des Kreises – auch aktiv an den Taten beteiligt gewesen sein könnten oder zumindest davon wussten.
„Wir müssen jetzt aus den Erfahrungen lernen und Lehren ziehen. Opfer von Gewalt und deren Angehörige müssen ernst genommen werden. Es braucht umfassende und regelmäßige Schulungen für Polizist*innen, um Racial Profiling zu bekämpfen und unbewusste Rassismen aufzuzeigen. Rechtsextreme Strukturen müssen aufgedeckt und zerschlagen werden – in der Polizei und außerhalb“, fasst Sprecher der Grünen Oliver Groth zusammen.